Von Gerda Dellbrügge

Quelle: Fachzeitschrift Praxis Kommunikation, Heft 2, April 2008, Junfermann Verlag Paderborn
 

Praxis-Bericht: Beschwerden in den Wechseljahren sind vermeidbar, wenn Frauen sich von alten Denkmustern befreien. Das Neurolinguistische Programmieren hilft.

Vor einiger Zeit traf ich meine Nachbarin, Frau K., auf der Straße. Nach einem freundlichen „Hallo – wie geht’s?“, sprudelte es aus ihr heraus: „Mir geht es gar nicht gut. Manchmal bin ich total gut drauf und könnte Bäume ausreißen und am nächsten Tag dann das absolute Gegenteil: Ich habe zu nichts Lust und bin sehr niedergeschlagen. Und dann diese Schweißausbrüche.“
Die Offenheit der Nachbarin überraschte mich. Doch ich kenne das Problem aus ähnlicher Beschreibung, wie ich sie häufig bei der Beratung von Frauen in der Lebensmitte höre.
Die Wechseljahre gerieten vor allem seit der Veröffentlichung einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2002 in den Blickpunkt des Interesses. Nach dem Befund der Studie war bei Frauen, die Hormone zur Linderung der Wechseljahr-Symptome einnahmen, das Risiko gestiegen, an Thrombose, Embolie, Schlaganfall oder Brustkrebs zu erkranken.
Das löste eine rege Diskussion über Sinn und Grenzen einer Hormonersatztherapie aus. Häufig werden die Wechseljahre als eine „Hormonmangelkrankheit“ dargestellt, die alle Frauen durchleiden müssen. Älterwerden wird in unserer Gesellschaft noch vorwiegend als Verlust und kaum als Gewinn betrachtet. Wechseljahre, wie Pubertät oder Schwangerschaft ein natürlicher Abschnitt im Leben einer Frau, werden als Abweichung und Krankheit betrachtet und behandelt.
Im Fokus stehen meist körperliche Symptome, wie Hitzewallungen und Schlafstörungen. Psychische Aspekte werden eher vernachlässigt. Weiblichkeit wird in der westlichen Welt meistens auf Gebärfähigkeit und sexuelle Attraktivität reduziert. Schlanke, junge und gut aussehende Frauen haben es häufig leichter, Karriere zu machen, als ihre Kolleginnen,
die diesem Bild nicht entsprechen. Es verwundert nicht, dass viele Frauen Probleme haben, wenn in den Wechseljahren die Haut erschlafft, Falten sichtbar werden und die Figur ein wenig aus den Fugen gerät. Selbst aufgeklärte, moderne Frauen hadern zuweilen mit diesen Veränderungen oder geraten gar in eine Sinnkrise. Die Kinder sind aus dem Haus oder ein Kinderwunsch konnte vielleicht nicht realisiert werden. Die Arbeit stellt sie nicht recht zufrieden, die Beziehung zum Partner ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wechseljahre sind bestens geeignet, alte Minderwertigkeitsgefühle oder ein angeschlagenes Selbstbewusstsein zu Krankheiten werden zu lassen. Nicht wenige Frauen fühlen sich dann wert- und nutzlos.
Ich sage also meiner Nachbarin, dass ein schwankender Hormonspiegel Frauen nicht zwangsläufig emotional und psychisch belasten muss. Seelische Probleme stehen in Zusammenhang mit der eigenen Lebensgeschichte und persönlichen Lebensumständen. Eine zufriedene Frau wird, nur weil sie in die Wechseljahre kommt, kaum in Depression verfallen. Wer aber die eigene Lebenssituation als eher unbefriedigend erlebt, mag die Wechseljahre anders erfahren.
Meine Nachbarin weiß, dass ich Einzelberatungen und Selbsterfahrungsgruppen für Frauen in der Lebensmitte anbiete. „Sag mal, was machst du mit den Frauen?“ Ja, was mache ich mit ihnen? Bei mir machen sich Frauen vertraut mit den körperlichen und den geistig-seelischen Veränderungen und damit, was diese Veränderungen bedeuten.
Bei mir lernen Frauen, sich unter anderem bewusst zu werden, wovon sie sich verabschieden möchten. Und was sie dazu gewinnen wollen: Sie lernen Ideen für den neuen Lebensabschnitt zu entwickeln und einen Zugang zu ihren Ressourcen und Kräften zu finden, die ihnen helfen, ein Ziel zu erreichen. Sie erkunden ihre Wünsche, Sehnsüchte oder Ängste in Bezug auf ihre Zukunft. Sie lernen mit Einstellungen, Überzeugungen und alltäglichen Denkmustern umzugehen, die Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben, und sie lernen, diese zu verändern. Sie lernen, die Botschaft hinter den Symptomen zu verstehen. Sie tauschen sich über ihre Erfahrungen aus. Die Nachbarin seufzt: „Das hört sich ja gut an. Aber etwas zu verändern ist so schwer.“ Nun komme ich mitten auf der Straße doch ins Erzählen. Ich berichte ihr von meiner Methode, dem Neurolinguistischen Programmieren, das eine Menge Werkzeuge und Hilfsmittel für eine solche Arbeit bereithält. Zum Beispiel die Arbeit mit Ressourcen: Meine Erfahrung ist, dass Frauen auf die Frage nach ihren Ressourcen, Fähigkeiten und positiven Wertvorstellungen oft nur eine negative Antwort haben: „Weiß nicht. Es gibt im Grunde nichts, worauf ich stolz sein könnte.“ Die Nachbarin nickt und sagt sofort: „Ich hätte die gleiche Antwort gegeben.“
Ich erzähle weiter von den Frauen und von den Gesprächen mit ihnen, die immer wieder deutlich machen, was diese Frauen in ihrem Leben alles gemeistert haben. Und wie schön es ist, mitzuerleben, wie diese Frauen lernen, sich mit Wertschätzung zu begegnen und wieder Zugang zu ihren wunderbaren Ressourcen zu bekommen. Mir fällt das Beispiel einer Sekretärin ein. Vor einigen Wochen kam sie in die Beratung und klagte über Hitzewallungen, Rückenschmerzen, depressive Verstimmungen. Zusätzlich beschrieb sie ihre Unzufriedenheit im Beruf. Im Laufe unseres Gesprächs erkannte sie, dass sie sich mit ihrem Chef aussprechen müsse. Sie traute sich jedoch nicht, ihn um ein solches Gespräch zu bitten. Ich bat sie, sich an eine Situation in der Vergangenheit zu erinnern, in der sie es geschafft hatte, eine unangenehme oder als beängstigend erlebte Situation zu meistern.
Sie fand nach einem inneren Suchprozess eine geeignete Situation. Sie erinnerte sich ihrer Fähigkeit „Mut“, mit deren Hilfe sie damals das Problem gelöst hatte. Ich bat sie, dieses Ereignis samt ihrem Mut mit allen Sinnen innerlich noch einmal zu durchleben. Danach stellte sie sich eine Situation in der Zukunft vor, in der sie ihre Ressource „Mut“ zur Verfügung hat und ihren Chef um ein Gespräch bittet. Die Frau berichtete einige Wochen später, sie habe tatsächlich das Gespräch mit ihrem Chef geführt, und zwar mit einem für sie zufrieden stellenden Ergebnis. Sie war überrascht darüber, dass sie sich das getraut hatte und dass „es so schnell gegangen war“.
Frau K., meine Nachbarin, hing mir förmlich an den Lippen. Ich fing an, von den Persönlichkeitsteilen zu erzählen. Ich sagte ihr, dass Symptome, etwa Stimmungsschwankungen, als Botschaften von Persönlichkeitsteilen verstanden werden können, die sie auf etwas in ihrem Leben aufmerksam machen wollen. Diese Persönlichkeitsteile haben positive Absichten und meinen es gut mit ihr. Das mag schwer zu verstehen sein, da sie diese Symptome als lästig und leidvoll empfindet. Würden aber diese positiven Absichten in ihrem Leben auf andere Art und Weise als bisher sichergestellt – durch alternative Verhaltensweisen – ließen sich ihre Persönlichkeitsteile „zufrieden“ stellen, und die unangenehmen Symptome würden womöglich vergehen.

„Das ist ja eine völlig neue Sichtweise“, staunte Frau K. „Vielleicht kann ich meine Symptome doch auf anderem Wege als mit Medikamenten bekämpfen.“
Ich hatte eine neue Klientin gewonnen.